New Work – New Facilitation
Notiz 28
Was ist mit „New Work“ eigentlich gemeint? Wo fängt „New Work“ an und wo hört es auf?
Und: welche Aufgaben ergeben sich daraus für den Moderator oder Facilitator?
Um es gleich vorwegzunehmen: THE New Work gibt es nicht. Die Arbeitswelt verändert sich rasant und Entwicklungen, wie die Digitalisierung, Flexibilisierung, Globalisierung … der Arbeit sind ineinander verwobene Prozesse, für die es keine Überschrift gibt. Es scheint dem Streben nach Komplexitätsreduktion geschuldet,
dass dieses Begriffsvakuum derzeit in vielfältiger Weise mit dem Begriff New Work gefüllt wird. Man könnte mit Johann Wolfgang von Goethe sagen: Erlaubt ist, was gefällt!
Interpretiert man New Work im Sinne des Philosophen Frithjof Bergmann (der diesen in den 1970er Jahren prägte), so könnte man sagen, dass New Work auf den selbstbestimmten, glücklichen Menschen abzielt. Nach Bergmann’s Vision stärkt alles(!) in der Gesellschaft den Menschen, der nur noch macht (arbeitet), was er wirklich, wirklich, ganz echt will. Die moderne Sklaverei der von Fremdbestimmung geprägten Arbeitswelt ist abgeschafft. So ein bisschen erinnert mich diese Interpretation von New Work an das Bruttonationalglück des Königreichs Bhutan im Himalaya, wo bereits im 18. Jahrhundert das Glück der Bevölkerung als Ziel von Entwicklung und Politik definiert wurde. Auch Christian Felber’s Gemeinwohlökonomie versucht den Menschen von Zwängen zu befreien und ein Wirtschaftssystem zu etablieren, das dem Gemeinwohl dient. Auch die Idee der Soziokratie des niederländischen Reformpädagogen Kees Boeke ließe sich hier einordnen.
Wie groß auch immer die Unterschiede im Detail sein mögen, die Zeichen stehen, heute mehr denn je, auf Veränderung. Wegweisend sind zweifelsohne Visionen und Ansätze, die zum Ziel haben, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung zu fördern, Nachhaltigkeit im Wirtschaften fordern und die Steigerung des Gemeinwohls im Blick haben. Ansätze, die den Menschen und dessen Wohlergehen ins Zentrum setzen. Dazu gehört auch New Work (zumindest in der Originalbedeutung).
Bleibt die bange Frage, was ein Facilitator, der doch immer nur Kommunikations-Helfer, -Manager, -Lotse oder -Katalysator sein kann, zum Thema New Work konkret beitragen kann. Er hat in seiner Tätigkeit keinen fachlichen Rat zu geben und in der Sache keine Entscheidungen zu treffen.
NEW WORK Beratung
Für ein Engagement für New Work im Sinne einer inhaltlichen Beratung muss die Prozessberatung – die für Moderation und in der Moderation zentral ist – um eine
fachliche Komponente ergänzt werden. Der für Moderation & Beratung engagierte NEW FACILITATOR wäre dann der fachliche Berater für die Bewältigung des Tranformationsprozesses hin zur „New Work Organisation“ und er wäre in Meetings, Workshops und Großgruppen der inhaltlich neutrale Begleiter, der der jeweiligen
Gruppe hilft, ihren Weg zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben zu finden. Vor welchen Veränderungsaufgaben stehen Manager und Führungskräfte, wenn sie sich
New Work stellen wollen, welche Herausforderungen konkret gilt es zu meistern und wobei können beratende Moderator*innen unterstützen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich zunächst entscheiden, wie man den Begriff New Work belegen möchte. Welche Zielsetzung hat das jeweilige Unternehmen, die Organisation für den Transformationsprozess hin zur „New Work Organisation“? Stellt man das Thema Digitalisierung ins Zentrum des Interesses, stellen sich andere Fragen, als wenn man auf die Flexibilisierung der Arbeit fokussiert oder Hierarchie abbauen und Mitgestaltung, Mitverantwortung und Selbstbestimmung ausbauen möchte. Je nach Fokus füllt sich der Begriff New Work mit anderen Inhalten und es ergibt sich ein anderer Beratungsschwerpunkt.
Stellt man in Rechnung, dass jede Veränderung in einem sozialen System, soll sie gelingen und nachhaltig sein, immer auch Kulturwandel bedeutet, wird deutlich, dass für eine solide New Work Beratung, Kulturberatung als Komplementär-Beratung zur Fachberatung zwingend ist. Die bewusste Gestaltung des Kulturwandels außer Acht zu lassen und sich ausschließlich auf die „harten Faktoren“ zu stützen, nur weil sich Zahlen, Daten, Fakten so herrlich planen lassen, erinnert an Paul Watzlawick’s Geschichte vom verlorenen Schlüssel …
Der verlorene Schlüssel oder “mehr desselben”
Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: “Meinen Schlüssel.” Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: “Nein, nicht
hier, sondern dort hinten — aber dort ist es viel zu finster.” [Aus Paul Watzlawick’s „Anleitung zum Unglücklichsein]
Kulturwandel
Kulturwandel-Beratung ist als begleitende Prozessberatung (Komplementärberatung) bei allen Veränderungsprojekten dringend empfohlen. Kulturwandel kann
aber auch explizit Beratungsthema Kulturwandel NEW WORK Beratung 3BusinessModeration® Zwei Seiten einer Medaille sein und zwar immer dann, wenn
es um Kommunikations- und Führungsthematiken geht. So wird im Rahmen der New Work Diskussion beispielsweise immer wieder thematisiert, dass immer mehr, vor
allem junge Menschen, stärkeren Einbezug, mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung erwarten. Das kann in einer Organisation ein Angriff auf die gewachsene Führungskultur sein. Für Manager, Führungskräfte und Projektleiter ist eine Neuorientierung erforderlich. Führung muss neu erlernt werden. Freiheitsgrade
für Selbstorganisation müssen über Partizipationsansätze der Vergangenheit wie etwa Qualitätszirkel, Lernstatt oder Change Communities hinausgehen. Die Fähigkeit, „Kommunikation auf Augenhöhe“ zu gestalten ist gefragt und unverzichtbar. Dies ist nur ein Beispiel für Kulturwandel. Andere Ansatzpunkte können Teamkultur, Gesprächskultur oder Konfliktkultur sein, aber auch Nachhaltigkeit in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht kann im Fokus der Umgestaltung stehen. Letztlich geht es immer um strategische Zielsetzungen und dafür gilt: Strategieumsetzung geht nicht ohne Kulturwandel.
Zwei Seiten einer Medaille
Strategische Bemühungen bedeuten immer ein absichtsvolles Einwirken auf das bestehende soziale System und dessen Selbstorganisationstendenzen. Es sollen gezielt Technik, Aufbau- und/oder Ablauforganisation sowie Regeln und Verhaltensweisen verändert werden. Deshalb ist Strategieumsetzung (immer auch) Kulturwandel. Dabei ist der einfachere Teil der, der Management-Entscheidungen, auch wenn es in der Umsetzung dann nicht immer leicht ist, deren Einhaltung sicherstellt. Der schwierigere Teil der Strategieumsetzung ist stets die Veränderung der Unternehmenskultur. Schwieriger ist dies deshalb, weil das Verändern von Organisationskultur – auch und vor allem – bedeutet, Verhaltenserwartungen, also „geronnene Erfahrung“, „ungeschriebene Gesetze“ nachhaltig zu verändern.
Da Verhalten niemals determiniert, sondern immer nur – um es mit Niklas Luhmann zu sagen – der „Spielraum für faktisches Verhalten“ verändert werden kann, bleibt stets eine gewisse Unschärfe in den getroffenen Maßnahmen beziehungsweise den zu erwartenden Resultaten. Entscheidet das Management-Team etwa, das Unternehmen in Richtung Digitalisierung voranzubringen, so ist es (als eine mögliche Maßnahme) für IT-Experten relativ einfach, neue Software zu implementieren, deutlich schwerer ist es, die Betroffenen damit vertraut zu machen und ihr Herz dafür zu begeistern, so dass diese auch (im Sinne der strategischen Zielsetzung) genutzt wird. Der Erfolg von strategischen Maßnahmen steht und fällt grundsätzlich mit der Akzeptanz durch die Betroffenen, die für sich entscheiden, wofür sie sich mit aller Kraft einsetzen und wofür nicht. Die entscheiden, wofür man mit ihnen rechnen kann und wofür nicht, was sie mittragen oder aber unterlaufen und mit aller Macht
zu be- oder verhindern versuchen. Strategie(umsetzungs)planung muss deshalb immer auch die Planung des erforderlichen Kulturwandels – jenseits großer Kulturprogramme – beinhalten.
Im Grunde ist es so, dass strategische Maßnahmen und Kulturwandel zwei Seiten derselben Medaille sind. Wird Kulturwandel angestrebt, so hat dieser immer eine strategische Begründung beziehungsweise Zielsetzung, spricht man von strategischen Maßnahmen, so haben diese immer auch kulturelle Implikationen.
Harte Arbeit jenseits von Kulturprogrammen
In Anlehnung an Heinz von Förster, der sagte, „You can never kiss a system“, könnte man sagen: „Unternehmenskultur kann man nicht anfassen“. Unternehmenskultur
ist kein Ding, dessen Form man mechanisch verändern kann. Organisationskultur kann letztlich ausschließlich über die Modifizierung von Aufbau- und/oder Ablauforganisation verändert werden. Es muss und es kann nur der Rahmen gestaltet werden, innerhalb dessen sich Kultur entwickelt. Erwartungen aneinander, das zentrale Element von Kultur, entzieht sich dem direkten Zugriff. Kulturwandel muss deshalb an dem ansetzen, was ist und daran, wie es ist. Die zentralen Fragen lauten:
„Wieso ist es derzeit so, wie es ist?“ und dann: „Was müssen wir tun, damit es sich zu dem wandeln kann, was künftig sein soll?“
Das zentrale Werkzeug zur prozessbegleitenden Umgestaltung ist Moderation, sind moderierte Dialoge, von der Vorstandsklausur über Workshops bis hin zu Großgruppen-Veranstaltungen,
von der Mitarbeiter-Konferenz bis zum Story Dealing. Welche Kommunikations-Designs man dafür wählt, ist der jeweiligen Situation geschuldet. In jedem Fall wird ein
agiler Entwicklungsprozess anzulegen sein, für den ein Stück weit der Grundsatz gilt: „Der Weg entsteht beim Gehen!“.
Das Entscheidende für solide, nachhaltige Strategieentwicklung ist das Bewusstsein, dass das Formulieren eines anzustrebenden Soll-Zustandes ohne Umsetzungsplanung dem Versuch gleichkommt, mit nur einer Hand zu klatschen.
Hier fallen Fachberatung und Prozessberatung zusammen. Diese Beratung – für die freilich ein gerüttelt Maß an Expertise zum Thema Unternehmenskultur und Kulturentwicklung von Nöten ist – könnte als NEW WORK BERATUNG bezeichnet werden oder
auch NEW FACILITATION.
Für das MODERATIO-Team,
Ihr, Euer, Dein,
Josef W. Seifert
© MODERATIO 2019
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