Inhaberstreitigkeiten
Notiz 24
Inhaber haben es in sich - Mediation bei Konflikten zwischen Gesellschaftern von Familienunternehmen
Fachvortrag am 10.01.06, Dipl.-Psych. Rolf Berker, Interessengemeinschaft Mediatorenaktiv
Gliederung:
- Was ist Mediation? Wann passt Mediation?
- Praxisfall Kapitalstruktur
- Familie und Unternehmen - Schicksal und Chance
1. Was ist Mediation?
Zur Lösung eines Konfliktes gibt es drei Wege: Machtkampf, Rechtsstreit oder Verhandeln! Beim Machtkampf entscheidet der Mächtigere. Dieser Weg hat den Vorteil, dass Machtverhältnisse geklärt werden, beispielsweise bei Wahlen oder Abstimmungen. Bei wirtschaftlichen Streitigkeiten beginnt der Machtkampf bereits damit, dass die Parteien versuchen, sich gegenseitig unter Druck zu setzen. Der Nachteil von Machtkämpfen sind die Risiken für die Beziehung. So kann der Verlust von gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung eine zukünftige Zusammenarbeit erschweren oder unmöglich machen. Beim Rechtsstreit entscheidet letztlich der Richter. Vorteil ist die Klärung der Rechtspositionen. Nachteile sind der Verlust an Kontrolle, die häufig lange Dauer bis zur Lösung des Konfliktes und die teilweise hohen Kosten auf dem Rechtsweg.
Beim Verhandeln entscheiden die Beteiligten selber. Vorteile sind unter anderem der Erhalt der Beziehung, der Verbleib der Kontrolle über das Verfahren bei den Beteiligten, die Zeitersparnis und der Kostenvorteil. Entscheidende Voraussetzung für einen Erfolg sind jedoch die Bereitschaft aller Beteiligten zu einem solchen Vorgehen, sowie eine konstruktive Gesprächsatmosphäre und ein strukturiertes Vorgehen. Daher sollten beim Verhandeln folgende Grundprinzipien gelten:
- Respekt für die unterschiedlichen Sichtweisen
- Verhandeln zielt auf Interessen statt Positionen. Die Interessen stehen für die Beteiligten hinter den konkreten Forderungen, Positionen genannt, für die sie kämpfen. Interessen sind die Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit die Betroffenen mit dem Verhandlungsergebnis am Ende zufrieden sein können.
- Eine konstruktive Gesprächsatmosphäre kann durch die professionelle Prozessführung eines Mediators erreicht werden.
Wann passt Mediation?
Betrachtet man typische Bedürfnisse von Gesellschaftern, so passt das Mediationsverfahren sehr gut dazu. Insbesondere der Vergleich mit rechtlichen Verfahren zeigt, dass Mediation diesen Bedürfnissen viel eher entspricht als ein Gerichtsverfahren. Ein starkes Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung bei Inhabern von Familienunternehmen kann es diesen jedoch schwer machen, die Gesprächsleitung und Prozessführung dem Mediator zu überlassen. Dem Bedürfnis nach respektvollem und gleichberechtigten Umgang mit allen Gesellschaftern kommt Mediation jedoch auch eher entgegen als andere, kompetitive und delegierende Verfahren.
Die Eignung des Mediationsverfahrens in Bezug auf die Konfliktmuster, die bei Gesellschafterstreitigkeiten wahrscheinlich sind, wird in Teil 3 noch weiter diskutiert.
2. Praxisbeispiel Kapitalstruktur
Um den Vertrauensschutz zu wahren, werden hier in der schriftlichen Form keine Details zu dem Fall genannt, sondern nur die allgemeinen Aussagen zusammengesfasst: Die Ergebnisse dieses Mediationsverfahrens gehen über die oberflächliche Lösung des auslösenden Konflikts („Streitpunkt“) weit hinaus. An diesem Beispiel wird die Signal-Funktion von Konflikten deutlich: Widersprüche in einem System führen zunehmend zu Spannungen, die dann an einem relativ willkürlichen Problem zu einem offenen Konflikt führen. Der Konflikt ist somit Signal für latente Widersprüche und Spannungen und kann als Anlass genommen werden, die zu Grunde liegenden Probleme aufzuarbeiten und bessere Strukturen zu entwickeln.
Auf dem Plakat sind wichtige Faktoren zusammengefasst, die im dokumentierten Mediationsverfahren zum Erfolg beitrugen. Diese Liste liefert auch allgemeine Kriterien, unter welchen Umständen ein Mediationsverfahren bei Gesellschafterstreitigkeiten erfolgreich sein kann und empfehlenswert ist. Bei diesem Fallbeispiel dominiert die Sacharbeit, da der Konflikt noch nicht so stark eskaliert war, und keine emotional stark belasteten Konflikte im Hintergrund damit verbunden sind. Häufig muss bei Mediationen deutlich mehr Zeit für die Gefühlsarbeit aufgewendet werden, damit die Medianten für eine klärende und faire Diskussion offen sein können.
3. Familie und Unternehmen - Schicksal und Chance
Familienunternehmen sind dadurch definiert, dass sie sich ausschließlich oder überwiegend im Besitz und unter dem Einfluss einer oder mehrerer Familien befinden. Die beiden Systeme Familie und Unternehmen greifen hier zwangsläufig ineinander und insbesondere in der Person des oder der Inhaber besteht eine Überschneidung der beiden, indem Personen sowohl zu Familie als auch zum Unternehmen gehören und wichtige Funktionen übernehmen. Durch die gesellschaftliche Differenzierung im Zuge der kulturellen Entwicklung der Industrienationen sind Familie und Unternehmen als Subsysteme unsere Gesellschaft heute von sehr unterschiedlichen Werten und Spielregeln geprägt. Diese großen Unterschiede sind notwendig, damit diese Systeme ihre völlig unterschiedlichen Funktionen in der Gesellschaft erfüllen können und entscheiden über ihr Überleben und ihre Leistungsfähigkeit. Im Familienunternehmen sind beide Systeme stark voneinander abhängig und werden so füreinander sowohl zum Risiko als auch zu Ressource.
Die Überschneidung beider Systeme im Familienunternehmen führt zwangsläufig zu Konflikten: Die Familie ist an Personen orientiert, die ganzheitlich gesehen werden, unabhängig von ihren Leistungen. Sie definiert sich über die Personen und ihre Beziehungen zueinander. Das Unternehmen orientiert sich an Funktionen, die die Mitarbeiter zu erfüllen haben, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Zutritt zum System Familie ist nur möglich über Geburt oder Liebe beziehungsweise Ehe, ebenso kommt es zum Austritt nur durch Tod beziehungsweise Scheidung. Die große Stabilität hinsichtlich der Mitglieder und ihre Beziehungen kompensiert die Familie durch eine relativ hohe Rollenflexibilität der Familienmitglieder, das heißt, diese übernehmen wechselnd unterschiedliche Funktionen. Im Unternehmen dagegen sind die Funktionen stabil und die Menschen sind austauschbar und können häufig wechseln. In der Familie müssen Entscheidungen der Gerechtigkeit genüge tun, beispielsweise beim Schenken und Erben. Im Unternehmen dagegen wird nach Funktionalität entschieden und es werden gezielt Unterschiede gemacht, um beispielsweise Positionen nach Kompetenz zu besetzen.
Die Überschneidung von Familie und Unternehmen führt somit zwangsläufig und unvermeidbar immer wieder zu widersprüchlichen Handlungsaufforderungen bei den Personen, die beiden Systemen angehören. Es kommt laufend zu Widersprüchen, die in offenen Konflikten kulminieren. Die Widersprüche führen zu Paradoxien, weil beide Systeme auf Ihre Stabilität achten müssen, auch um das Familienunternehmen als solches zu erhalten und sich daher nicht ohne Risiko den Spielregeln des anderen Systems unterwerfen können. Die Familie kann nicht ungestraft wie ein Unternehmen geführt werden und das Unternehmen nicht wie eine Familie. Beispielsweise können oft die Erben nicht gleichrangig im Sinne familiärer Gerechtigkeit in die Geschäftsführung übernommen werden. Das kann die Geschwisterbeziehung belasten und in der nächsten Generation zu Konflikten führen. Emotional stark beladene Geschwisterkonflikte zwischen Gesellschaftern bilden ein für das Unternehmen gefährliches Konfliktpotential, das unter Umständen in der Form der Stammesgliederung des Gesellschafterkreises über mehrere Generationen weitervererbt wird. Ein langfristiges Überleben eines Familienunternehmens ist nur möglich durch eine erfolgreiche Bearbeitung dieser - immer wieder neu auftretenden - und durch keine allgemeinen Prinzipien zu lösenden Konflikte.
Konflikt als Chance
Prof. Simon und seine Kollegen vom Institut für Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke haben intensiv untersucht, wodurch sich Familienunternehmen von anderen unterscheiden, wie sie die Konflikte zwischen Familie und Unternehmen bewältigen, und welche Faktoren zu ihrer überdurchschnittlichen Langlebigkeit und Rentabilität beitragen.
Die Entwicklung von Familienunternehmen von der ersten bis zur dritten Generation durchläuft meist ein Wachstum, eine zunehmende Ausdifferenzierung und ein Auseinanderdriften der beiden Systeme Familie und Unternehmen. Weniger als 10% der Familienunternehmen überstehen diese schwierige Phase bis in die vierte Generation. Die dann noch überlebenden Familienunternehmen sind jedoch außergewöhnlich langlebig und erfolgreich: Während die durchschnittliche Lebensdauer der im Index von Standard & Poor’s gelisteten Unternehmen 30 Jahre beträgt, überleben die dort erfassten Mehr-Generationen-Familienunternehmen im Durchschnitt 75 Jahre!
Die Studien von Simon et al zeigen, dass erfolgreiche Familienunternehmen...
- Strukturen und Verfahren entwickelt haben, um die oben genannten, typischen Konflikte konstruktiv zu bearbeiten, statt sie unter den Teppich zu kehren, und...
- im Unterschied zu Nicht-Familienunternehmen „familiäre“ Prinzipien wie Personenorientierung, langfristige Existenzsicherung, soziale Verantwortung und andere, selektiv und sehr individuell in das Unternehmen integrieren. Kommunikationskultur und Konfliktmanagement von erfolgreichen Familienunternehmen entsprechen somit ein gutes Stück den Grundprinzipien interessenorientierten Handelns und der Mediation, wie am Anfang vorgestellt. Konflikte werden als Ressource für die ständige Weiterentwicklung und Optimierung des Unternehmens genutzt.
© MODERATIO 2014
Wir informieren Sie gerne über neue Whitepapers! » ANMELDUNG